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Gutes Essen für Leib und Seele

Die Ernährung von Kindern mit einer Behinderung muss mehr noch als bei anderen Kindern individuell angeschaut werden, da die Bandbreite der Beeinträchtigungen sehr gross ist. Trotzdem gibt es einige generelle Hinweise zu Ernährung und Gesundheit, Über- und Untergewicht sowie zur Ernährungserziehung.

Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung erfordern beim Essen viel Geduld. Gemeinsame Mahlzeiten in einem angenehmen Umfeld sind aber wichtig für die Lebensqualität. Sie gelingen mit der nötigen Ruhe und genügend Zeit. Besonders bei schwer mehrfachbehinderten Kindern – aber auch bei den Betreuenden – sollte jedoch die Ausdauer nicht überstrapaziert werden.

Auf Signale achten

Beeinträchtigte Kinder sind oft nicht in der Lage, selbst Hinweise auf körperliche Beschwerden zu geben. Bei manchen Symptomen wie grossen Gewichtsschwankungen, Rückfluss des Speisebreis (Reflux), häufigem Verschlucken, veränderter Stuhlbeschaffenheit (Durchfall, Verstopfung), auffallendem Essverhalten (Schlingen, ungewöhnlich grosse Mengen oder ungeniessbare Dinge essen) sollte der Gesundheitszustand genauer abgeklärt werden.

Erfolgt die Ernährung über eine Sonde, fällt die Möglichkeit weg, Unwohlsein oder Abwehr über eine Essensverweigerung auszudrücken. Hier muss man besonders aufmerksam auf entsprechende Signale achten. Kinder, die beim Essen Unterstützung benötigen, sind ebenfalls auf ein sensibles und aufmerksames Gegenüber angewiesen. Sie drücken vielleicht mit ihrer Körperhaltung aus, dass sie eine andere Sitzposition brauchen. Eine kleine Augenbewegung oder Speichelfluss können bedeuten, dass sie mehr essen möchten, ein Abwenden des Kopfes, dass sie genug haben.

Übergewicht

In der heutigen Überflussgesellschaft ist Übergewicht ein weitverbreitetes Gesundheitsproblem. Verschiedene Studien zeigen, dass behinderte oder chronisch kranke Kinder und Jugendliche rund doppelt so häufig übergewichtig sind wie Gleichaltrige ohne Behinderung. Bestimmte Behinderungsformen vermindern den Grundumsatz, Bewegungsmangel kann ihn ebenfalls stark reduzieren. Daraus ergibt sich ein geringerer Kalorienbedarf. Bei anderen Behinderungsformen ist die Wahrnehmung von Hunger und Sättigung beeinträchtigt. Auch über längere Zeit eingenommene Medikamente wie Antiepileptika fördern die Gewichtszunahme.

Manche Eltern neigen dazu, ihren behinderten Kindern vermehrt Süssigkeiten anzubieten, sei dies aus Stress, um das Kind ruhigzustellen oder aus Angst, ihm sonst nicht genügend Freude bereiten zu können. Zu viele Süssigkeiten als Tröster bei Traurigkeit, Langeweile oder Einsamkeit können wie bei allen anderen auch zu Übergewicht führen. Lebensmittel sollten generell nicht als Belohnung eingesetzt werden.

Häufig verstärkt das Übergewicht die ursprüngliche Beeinträchtigung oder es führt zu zusätzlichen Gesundheitsproblemen. Darum ist es besonders wichtig, auf ein gesundes Gewicht zu achten und Übergewicht möglichst gar nicht entstehen zu lassen. Hilfreich kann sein, den Energiegehalt der Mahlzeiten zu senken oder Verhaltensregeln beim Essen aufzustellen, zum Beispiel Essenszeiten klar definieren und einhalten; erst zu essen beginnen, wenn alle am Tisch bedient sind; kleine Portionen schöpfen mit Option auf Nachschlag usw.

Untergewicht und Mangelernährung

Auch Untergewicht oder Mangelernährung kommt vor. Dies betrifft vor allem Kinder mit Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme oder mit Behinderungsformen wie Spasmen, die zu einem erhöhten Energieverbrauch führen. Hier sind ergotherapeutische und logopädische Massnahmen sowie angepasste Kostformen gefragt. Wenn die Betroffenen nur langsam und in kleinen Mengen essen, sollten statt drei grosse Mahlzeiten mehrere kleine eingenommen werden. Auch eine Anreicherung der Haupt- und Zwischenmahlzeiten mit energiedichten Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln kann hilfreich sein.

Ernährung und Gesundheit

Die allgemeinen Ernährungsempfehlungen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung unterscheiden sich kaum voneinander. Die Ernährungspyramide (siehe Bild) bietet einen guten Überblick über die Zusammensetzung einer ausgewogenen Ernährung. Für eine gute Gesundheit ist aber auch genügend Bewegung zentral. Diese wird durch körperliche, sensorische und kognitive Einschränkungen sowie nicht behindertengerechte Umweltbedingungen erschwert. Die Bewegungsmöglichkeiten beeinträchtigter Kinder sind individuell sehr unterschiedlich. Sie sollten jedoch optimal ausgeschöpft werden.

Sinnlicher Genuss

Essen bietet vielfältige Sinneserfahrungen: durch das Betasten, Sehen, Schmecken und Riechen verschiedener Lebensmittel. Beim Kochen durch das Schälen, Schneiden, Kneten. Bei den Mahlzeiten, wenn das Essen schön angerichtet ist. Oder wenn Nahrungsmittel Geräusche erzeugen, zum Beispiel Knäckebrot, rohe Karotten, Apfelschnitze. Immer wieder Neues ausprobieren, gemeinsam kochen und gemeinsam geniessen: Das sollte bei allen Schwierigkeiten nie zu kurz kommen!

Aus Bulletin 2015/01

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